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Erfahrungsbericht

Das Statistikungeheuer: Zwischen Verzweiflung, Tränen und Übermut

 

Ich schwitze, meine Hände zittern und die Synapsen laufen auf Hochtouren. Das Ticken der Uhr hallt im Kopf wider und der große Minutenzeiger rückt unausweichlich vor. Auf dem Blatt vor mir ist inzwischen ein kleines Kunstwerk entstanden – bestehend aus durchgestrichenen Zahlenkolonnen und gekritzelten Streudiagrammen. Korrelationskoeffizient, Regressionsanalyse und Strukturierungsgrad – ach nein, letzteres war ja Wirtschaftsinformatik.

Es liegen noch eine Menge unausgefüllter Blätter vor mir. Wie soll ich das alles schaffen? Aber darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken, dafür ist keine Zeit. Rechnen und Schreiben sind angesagt, um möglichst viele Aufgaben zu schaffen. Teilpunkte sind meine letzte Hoffnung. Jeder Blick auf die Uhr lässt mehr Schweißperlen von meiner Stirn tropfen. 

Die letzten Minuten laufen auf der Uhr runter. Noch 5 Minuten bis zur Abgabe. Ich haue wild in die Tasten meines Taschenrechners, damit ich noch das letzte Ergebnis auf das Blatt schreibe. Noch 2 Minuten. Es fällt eine Last ab, es noch in der Zeit geschafft zu haben. Oh nein, denke ich mir. Das Ergebnis kann gar nicht stimmen! Es muss doch eine Zahl zwischen 0 und 1 rauskommen. Das kann doch jetzt nicht wahr sein! 

Ich schaffe es nicht mehr das nochmal zu berechnen. Hoffentlich gibt es… “Abgabe” ertönt es im Raum. Ich war noch mitten in meinen Gedanken.

Die Zeit ist um. Endgültig. Der Dozent sammelt die Blätter ein. Er muss mir mein Blatt beinahe entreißen, so sehr klammere ich mich an meine Aufgaben. Das Papier ist bereits ganz wellig. Er nimmt das Blatt an sich. Bei seiner hochgezogenen Augenbraue möchte ich am liebsten in Tränen ausbrechen. 

Ich packe meinen Kulli und meinen Taschenrechner zusammen, nehme meinen Rucksack samt Jacke und gehe wortlos aus dem Raum. Ich möchte einfach nur noch an die frische Luft. 

Die Sonne scheint und der Himmel ist blau. Komisch, während der Klausur habe ich nicht mitbekommen, dass die Sonne überhaupt aufgegangen ist. Ich breche in Tränen aus. Ob aus Erleichterung oder Panik ist mir nicht ganz bewusst. Falle ich durch? Muss ich das Studium wiederholen, wirft der Chef mich aus der Firma? 

Während ich keinen klaren Gedanken fassen kann, kommt meine Kommilitonin aus dem Gebäude. Sie geht direkt auf mich zu und nimmt mich erstmal in den Arm. Sie weiß genau, was in meinem Kopf vorgeht… Der ganze Druck fällt ab und trotzdem bleibt die Angst versagt zu haben. 

Bis zu sechs Wochen Ungewissheit. Solange sitzt das Statistikungeheuer in meinem Nacken. Egal. Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen – nächste Woche Wirtschaftsinformatik. Doch mein Kopf ist leer und trotzdem veranstalten meine Synapsen eine Sitzblockade. Sie halten Schilder in der Hand und protestieren mit dem Slogan: “Kein neuer Input”. Wie soll ich das nur schaffen? 

Zeitsprung: vier Wochen 

Hundemüde, Augenringe bis zum Kinn und zu viel Koffein im Blut. Kurz um: fertig mit dem Nerven. Die letzten vier Wochen konnten dem besten Horrorfilm Konkurrenz machen. Tagsüber Stress mit dem Chef, Abends wie ein Schluck Wasser vor dem Laptop. Die nächste Klausur stand schließlich an. Einfach mal hinlegen, dachte ich mir. Ich wollte mein Handy noch ausschalten und da… Eine Mail vom Klausurenportal! Welche das wohl ist? Die Müdigkeit wich von mir. Adrenalin. Ich kann jetzt nicht schlafen. Ich muss da jetzt noch reinschauen. Aber was, wenn ich durchgefallen bin? Dann kann ich die ganze Nacht nicht schlafen. Aber so bekomme ich auch keine Ruhe. Egal. Augen zu und durch. 

Und ich tanze auf Socken durch die Wohnung. Ich bin das blühende Leben. Mache Luftsprünge und haue mir dabei noch den Zeh an. Egal. Ich renne weiter wie ein grinsende Puddingbrumsel durch die Wohnung. Hoffentlich beschweren sich die Nachbarn nicht. 

Alles egal: 1.7.

Und das auch noch in Statistik. Ich höre den Felsbrocken fallen. Erleichterung! Jetzt kann ich schlafen.

Autorinnen: Theresa Dill und Laura Schlagowski, Studierende des Studiengangs "Medien, IT und Management" im Kurs "Journalismus & Storytelling" bei Herrn Prof. Dr. Pagel

Eckdaten

Kurs: 
Medien, IT & Management
Journalismus & Storytelling
SoSe 2019

Autor*innen:
Theresa Dill
Laura Schlagowski

Dozent:
Prof. Dr. Sven Pagel

Kontakt:
theresa.dill (at) students.hs-mainz.de
laura.schlagowski (at) students.hs-mainz.de
sven.pagel (at) hs-mainz.de